Wie wir das Wunder Israel erlebt haben
von Brigitte B. Nussbächer
Wir haben in Israel mit eigenen Augen wahrgenommen, wie Gott zu seinem Volk steht. Wir haben anhand von Fakten und Tatsachen gesehen, wie die Aussagen der Bibel Realität werden und wir haben überall im heutigen Israel Gottes in Erfüllung gehende Verheißungen erlebt.
Vorausgegangen war eine eher mühsame Entscheidungsfindung. Israel einmal zu besuchen gehörte zur „Allgemeinbildung“ von Christen. Trotzdem hatte es mich nicht hingezogen und die Berichte derer, die von Reisen aus Israel zurück kehrten, hatten wenig dazu beigetragen, es zu ändern. Wenn sie von den sogenannten „Heiligen“ Stätten berichteten, fragte ich mich immer, was es mir denn bringen würde, diese Ruinen oder Gedenkkirchen anzusehen. Viel mehr interessierte mich, was Gott heute in der Gegenwart erlebbar machte.
Letztlich war es dann tatsächlich auch ein anderer Gedanke, der den Anstoß zu dem Besuch gab. 2018 feierten mehrere nach dem 2. Weltkrieg gegründete Staaten ihr 70. Jubiläum – darunter auch Israel. Nachdem wir Dokumentarfilme über Indien und Pakistan zu dem Thema gesehen hatten, fragte ich mich, wie wohl Israel diese 70 Jahre genutzt hatte. Im Vergleich zu den anderen Staaten musste es ungleich schwerer gewesen sein, aus dem Nichts etwas aufzubauen. Noch 1867 hatte Marc Twain das Land als desolat, eine stille, traurige Weite ohne Mensch, Baum und Strauch bezeichnet. Was war daraus geworden?
Und so begaben wir uns auf eine geschichtliche Studienreise, was sich im Nachhinein als Volltreffer erwies. Nie hätten wir in einem Individualurlaub so viel erfahren und kennen gelernt.
Noch während wir vom Flughafen Ben Gurion nach Tel Aviv fahren, hören wir die Entstehungsgechichte dieser Stadt, von der Parzellverlosung an ein paar Dutzend Familien nördlich der jahrtausende alten Hafenstadt Jaffa im April 1909. Diese wollten auf den Sanddünen, die der niederländische Bankier Jacobus Kann gekauft hatte, die erste jüdische Stadt der Moderne bauen. Und dann fahren wir auch schon an den ersten Hochhäusern vorbei und nach Tel Aviv hinein, welches heute (rund 100 Jahre später) die modernste und weltoffenste Metropole des gesamten Nahen Ostens ist.
Im sehr originell und lebendig gestalteten Palmach Museum in Tel Aviv erfahren wir von dem beeindruckenden Kampf des jüdischen Volkes für seine Unabhängigkeit. Und von der Vorgeschichte: als die UN 1947 beschloss, das ehemalige britische Mandat in 2 Länder aufzuteilen: ein jüdisches und einen arabisches. Von dem Protest der Araber und von dem Druck, der auf die Juden ausgeübt wurde, diese Chance nicht zu nutzen. Von der Proklamation des jüdischen Staates durch David Ben Gurion am 14. Mai 1948 und von dem Angriff der 5 arabischen Länder Ägypten, Syrien, Jordanien, Irak & Libanon um Mitternacht am gleichen Tag.
Man muss sich die damalige Situation vergegenwärtigen. Ca. 650.000 Juden, viele von ihnen Holocaustüberlebende, die gerade erst das Grauen hinter sich gelassen hatten, versuchten Israel, welches als neugegründeter Staat keine Armee besaß, mit Gewehren, Maschinenpistolen und Granatwerfern gegen eine Mehrheit von 160 Millionen Arabern (ausgerüstet mit Panzern, Artillerie, Schützenpanzerwagen, Flugzeugen und Kriegsschiffen) zu verteidigen. Ein Verhältnis von 1 : 246! Dabei wird einem die menschliche Ausweglosigkeit bewusst und dass das Überleben Israels ein Wunder ist. Mit Tränen in den Augen verlasse ich das Museum. Jetzt verstehen wir, welch hohen Preis das jüdische Volk (nach der Auslöschung der 6 Millionen durch den Holocaust) im Unabhängigkeitskrieg für seine Existenz bezahlt hat.
Umso mehr staunen wir über die Lebensfreude und Energie, die heute auf den Strassen Tel Avivs spürbar ist und die wir bei den Menschen, denen wir begegnen, erleben. Wir sehen die Fähigkeit dieses Volkes schnell aus dem Nichts etwas aufzubauen (sie haben weltweit die 2 höchste Anzahl von Start Ups), ihre Genialität Lösungen für scheinbar Unlösbares zu finden, wie zum Beispiel mit Wasserentsalzungsanlagen am Mittelmeer den Wassermangel zu beheben und durch computergesteuerte Tröpfchenbewässerung Plantagen in der Wüste anzubauen. Wir sind überrascht, dass Israel die zweithöchste Akademikerquote und die dritthöchste Patentquote der Welt hat und bewundern, dass 23% aller Nobelpreisträger aus diesem kleinen Volk, dass nur 0,2 % der Weltbevölkerung ausmacht, stammen.
Wir erleben ihre Kreativität sowie ihren Sinn für Kunst und Schönheit. Israel hat gemessen an der Anzahl der Einwohner die meisten Museen und Orchester per capita und liegt auf Platz 2, was die Anzahl der verlegten Bücher anbelangt. Wer hier ein Konzert besucht, wird einem sehr hohen künstlerischen Niveau und großer Begeisterung des Publikums begegnen.
Wir streifen durch Städte, Orte, Landschaften und sind beeindruckt: unglaublich was hier in nur 70 Jahren geschaffen wurde. Dort wo sich früher Sümpfe, Sanddünen und wüstes Land befanden, haben Pioniergeist, Innovation und Durchhaltevermögen überall blühendes Leben entstehen lassen. Israel ist das einzige Land, in dem die Wüste rückläufig ist, Millionen Bäume wurden gepflanzt und entlang der Autobahn blüht tropfenbewässerter Oleander. Aus dem armen Agrarstaat ist ein Land mit führender Technologie und einer starken Währung entstanden. Israel gehört heute zu den 10 einflussreichsten Ländern der Welt und liegt auch im Happiness Ranking vorne. (Siehe Grafik unten)
Je mehr Israelis wir persönlich kennen lernen, desto mehr schätzen wir ihre konstruktive Einstellung, ihre Dynamik und ihren Mut – trotz ihres bis heute andauernden Ringens um ihr Recht auf Existenz.
Wir hören von den Kämpfen im 6 Tage Krieg 1967, von der Befreiung der Altstadt Jerusalems und wie die Juden wieder Zugang zu ihrer heute heiligsten Stätte, der Westmauer, erlangten.
Und von dem „Tal der Tränen“, so benannt nach der anfänglich auswegslosen Situation im Jom Kippur Krieg 1973, als die syrische Armee mit über 1.000 Panzern im Norden Israels einbrach und von weniger als 200 Panzern auf israelischer Seite aufgehalten wurde.
Wir sehen den Wiederaufbau nach wiederholter Zerstörung, sei es nun die Hurva Synagoge in Jerusalem oder die Siedlungen in Gush Etzion.
Und wir nehmen wahr, dass selbst die häufigen Terroranschläge in dieser Gegend den Menschen weder die Lebensfreude noch den Lebensmut rauben können, auch wenn sie schmerzliche Verluste zu beklagen haben.
Wir erleben die „Wächter Israels“, die jungen Soldaten und Soldatinnen auf den Straßen, die für Sicherheit sorgen und lauschen den Zeugnissen von sogenannten „einsamen“ Soldaten, die freiwillig ihr Heimatland, Verwandte, Freunde und ein angenehmes Leben verlassen, um in der IDF (Israels Defence Forces) zu dienen. Tatsächlich spielt die IDF auch eine wichtige Rolle bei der Integration und der Schaffung eines gemeinsamen Nenners in der israelischen Gesellschaft.
Denn die Bevölkerungsvielfalt ist erstaunlich. Die Holocaust Überlebenden von überall aus Europa, die ca. 700.000 Juden, die nach Israels Gründung aus den umliegenden arabischen Ländern vertrieben wurden, die Einwanderung aus Afrika und die großen Aliyah-Wellen aus der ehemaligen Sowjetunion haben alle dazu beigetragen. Die Bevölkerungszahl Israels hat sich in den letzten 75 Jahren ver-14-facht (im Vergleich dazu hat sich die Weltbevölkerung in den letzten 50 Jahren „nur“verdoppelt).
Am liebsten hören wir jedoch die Geschichten von jenen, die freiwillig nach Israel kamen, weil sie es als ihre Aufgaben betrachten, dieses Land aufzubauen und sich mit großer Energie dafür einsetzen.
Was uns aber am allermeisten beeindruckt – und tatsächlich auch überrascht hat - ist die intensive, innige und lebendige Beziehung, die viele Juden zu Gott haben. Da uns in den säkularen, kirchlichen und freikirchlichen Kreisen, aus denen wir stammen, die Rolle und Bedeutung von Israel und dem Judentum nicht vermittelt worden war, weder als geistliche Wurzel noch für die Zukunft, waren wir implizit davon ausgegangen, dass so eine Beziehung zu Gott nur bei Christen möglich sei. Jetzt sahen wir mit eigenen Augen wie falsch diese Annahme war.
Heute weiss ich, dank dem erschütterndem Buch „Holocaust“ von Susanna Kokkonen, dass der christliche Glaube bewusst vom Judentum differenziert wurde, seit Kaiser Konstantin der Große die Anerkennung des Christentums als rechtmässige Religion einführte, sich aus politischen Gründen zum Oberhaupt der Kirche ernannte und das erste Konzil im Jahre 325 einberief. Er erklärte, dass die Juden für den Tod Jesu verantwortlich wären, also betrachtete man sie als „Gottesmöder“; verdammt und der Gnade Gottes und der Menschen unwürdig. Eine weitere Lehre dieser Zeit, die „Ersatztheologie“ besagt, dass Israel seine Rolle in Gottes Plänen verspielt hätte und die Christen nun das neue Israel seien. Die Kirchenväter vor und nach diesem ersten Konzil verleugneten den ewigen Bund zwischen Gott und den Juden systematisch, beziehungsweise glaubten, dass Gott diesen Bund aufgehoben hätte.
Der Einfluss dieser Lehren die seit über 1700 Jahren im Umlauf sind, ist erschreckend tiefgreifend. Im Grunde wurde hier schon die Legitimation für Judenhass und Judenverfolgung geschaffen, für Verleugnung und Ignoranz. Hier liegt der idelogische Ursprung von Inquisition, Progromen, Kreuzzügen und Holocaust.
Eine Konsequenz daraus war, das einerseits bei Übersetzungen versucht wurde, die Hinweise auf das Judentum auszulassen und andererseits bei vielen christlichen Themen der jüdische Ursprung nicht erwähnt wurde. Beispiele dafür sind christliche Feste, die alle ihr Äquivalent in den jüdischen biblischen Festen haben (z.B. Passah-Ostern, Schavuot-Pfingsten, Weihnachten-Chanukka) oder auch andere Bräuche: so zum Beispiel ist die jüdische Bar Mitzwa, bei der junge Erwachsene in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen werden, das Vorbild für Kommunion/Konfirmation/Jugendweihe - um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Das gleiche spiegelt sich auch in der Kunst. Wer z. B. durch die Uffizien von Florenz streift, (eines der berühmtesten Kunstmuseen der Welt mit Werken der Malerie und Bildhauerei von der Antike bis zum Spätbarock), stellt fest, dass es aus dem Alten Testament Bilder von Adam und Eva gibt. Das nächste große Thema ist die Ankündigung von Jesu Geburt. Alles was dazwischen liegt, ist ausgeblendet.
So sind sich viele bis heute des jüdischen Erbes nicht bewusst. Derek Prince, ein Bibellehrer unserer Zeit (und die, die mich schon lange kennen, wissen, dass ich jahrelang für Derek Prince Ministries gearbeitet habe), fasste es einmal so zusammen: Wir stehen tief in der Schuld des jüdischen Volkes.
Ohne dieses hätte die Gemeinde keine Patriarchen, keine Propheten, keine Apostel , keine Bibel und keinen Erlöser. Wenn uns all das fehlen würde, was gäbe es dann noch, was uns das Heil bringen könnte? Alle Nationen der Erde verdanken das Wertvollste an ihrem geistlichen Erbe den Juden.
Aber obwohl wir Derek Prince persönlich begegnet waren und viel von unserem Israel-Bild von seinen Worten geprägt war, mussten wir feststellen, dass auch wir Gefangene des Denkens der Kirchenväter waren. Auch wir hatten gedacht, dass die Juden verloren sein mussten, da man ja nur durch Jesus zum Vater kommen könne und übersahen dabei geflissentlich, dass Paulus in Römer 11 eindeutig sagt, dass Gott sein Volk nicht verstossen hat (Vers 1), dass er seine Gaben nicht zurück fordert und die Zusage seiner Erwählung nicht widerruft (Vers 29).
Und jetzt waren wir in Jerusalem und begegneten dem jüdischen Volk Israel erstmalig in seinem eigenen Land.
Was für uns ganz eindeutig wurde, war, dass die Gründung und das Überleben dieses Staates, seine schnellen Fortschritte und Errungenschaften, der Lebensmut und die Kraft, die man in so vielen Menschen in Israel beobachten kann, rational und menschlich nicht zu erklären sind, sondern auf eine besondere Energiequelle und Kraft zurück führen. Hier in Israel war Gott überall im Alltag erlebbar.
Seit über 2000 Jahren spricht die Bibel von einem lebendigen Gott, der Israel als sein Volk auserwählte und der verhieß, dies Volk nach seiner Zerstreuung wieder in das Land seiner Vorfahren zurück zu bringen und es besonders auszustatten. Dies jedoch auf einmal mit unseren eigenen Sinnen zu sehen, zu beobachten, veränderte uns.
Als wir am Ufer vom See Genezareth sassen, kam mir der Gedanke, dass Juden vorgeworfen wurde, Jesus nicht erkannt zu haben – obwohl doch das, was um ihn herum geschah, offensichtlich und eindeutig war … Und dass heute viele Christen das, was Gott in und mit Israel tut, nicht erkennen – obwohl es ebenso offensichtlich und eindeutig ist.
Wir begannen die Bibel mit anderen Augen zu lesen. Was wir bis dahin überlesen hatten, stach jetzt deutlich hervor.
Wenn man sich vergegenwärtig, dass Jesus in Matthäus 5,17 selber gesagt hat „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen“, dann kann man die Bedeutung von Israel und Jerusalem schwer überlesen.
Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird Errettung sein – steht in Joel 3,5
Und Sacharjia weissagt in Kapitel 8, 22: Menschen aus großen und mächtigen Völkern werden nach Jerusalem kommen, um den HERRN, den Allmächtigen, zu suchen und den HERRN gnädig zu stimmen.
Jesaja prophezeit in Kapitel 60, 2-3: Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir (Zion) geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Völker werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.
Wir haben in Israel mit eigenen Augen wahrgenommen, wie Gott zu seinem Volk steht. Wir haben anhand von Fakten und Tatsachen gesehen, wie die Aussagen der Bibel Realität werden und wir haben überall im heutigen Israel Gottes in Erfüllung gehende Verheißungen erlebt.
Die Bibel spricht in Sacharja 8,23 davon, dass „in jenen Tagen zehn Menschen aus Völkern mit lauter verschiedenen Sprachen einen Mann aus Juda am Rockzipfel festhalten werden und bitten: Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott bei euch ist“ - für uns sind diese Tage bereits angebrochen…die Beziehungen zu unseren jüdischen Freunden und die Verbindung zu Israel sind zu einer der wertvollsten Konstanten, einer Bereicherung und einer Quelle des Lernens in unserem Leben geworden.


„Bruchim haba'im le’Israel - Willkommen in Israel” klang die Stimme des Piloten aus den Lautsprechern und das Flugzeug rollte langsam zur finalen Position. Wir sahen neugierig aus dem Fenster. Was würden wir in diesem Land, über das so viel Widersprüchliches berichtet wird und dass es vor 100 Jahren noch nicht gab, vorfinden? Ich wusste damals nicht, vor welcher lebensverändernden Erfahrung ich stand!
Sigal - der Funke Lebenswillen
Teil 5 aus dem Zyklus: Facetten der Wiederherstellung (Perspektiven für Witwen & Waisen)

Sigal und ihre Kinder. Foto Sigal privat
Ihre Liebe begann wie eine von den Sternen geflüsterte Geschichte: Sigal und Dolev, zwei Seelen, die unter einem offenen Himmel träumten bis an einem erschütternden Tag alles zerbrach. Dennoch - der Kreislauf des Lebens geht weiter und seit dem 7. Oktober 2023 kämpft Sigal um eine Zukunft und ein neues Zuhause für ihre Kinder, in denen Dolevs Erbe erhalten bleibt.
Wie im Märchen
In dem traumschönen Kibbuz Nir Oz am Rande des Gazastreifens, der 1955 gegründet worden war, wuchsen Sigal und Dolev auf. Es war eine kleine, eng verbundene Gemeinschaft, in der die Grenzen zwischen Verwandten und Freunden verschwammen - jeder kannte jeden, schon Dolevs Vorfahren hatten hier gelebt. Sein Urgroßvater war zwei Jahre nach der Machtergreifung der Nazis aus Deutschland geflohen und hatte sich in Israel ein neues Leben aufgebaut. Zuletzt im Kibbuz Nir Oz.
Es war ein Ort, an dem man sich Träume bewahrt hatte und sie lebte: Die Idee von einem besseren Leben, fernab von Stress und Hektik, inmitten von Schönheit, Blumen und Vogelgezwitscher; das Ideal von geteilter Freude und Leid innerhalb einer Gemeinschaft und die Vision von Frieden.

Ein Bild aus früheren Zeiten. Foto Sigal
Es gab Bunker, in die man sich retten konnte und Dolev machte eine zusätzliche Ausbildung zum medizinischen Ersthelfer. Er diente danach als Freiwilliger sowohl bei der Magen David Adom als auch bei United Hatzalah und war bekannt dafür, dass er sich bei jedem Zwischenfall oder Anruf sofort auf den Weg machte. Auch wenn er dadurch oft mit Leid konfrontiert wurde, bewahrte er sich seinen Frohsinn. Die Tatsache, dass er helfen konnte, gab ihm Antrieb und Erfüllung.
Der 7. Oktober 2023
Auch am 7. Oktober war es für ihn selbstverständlich, nicht seine eigene Sicherheit in den Vordergrund zu stellen.
Als die Sirenen aufheulten und nicht mehr aufhören wollten, brachte er Sigal und die drei Kinder Raz, Yotam, Ron (im Alter von 7, 6 und 3 Jahren) in den Schutzraum. Er selbst aber ging hinaus, um Leben zu retten, wie er das schon bei unzähligen Raketenangriffen aus dem Gazastreifen getan hatte.
Es war der Anfang vom Ende des Lebenstraumes den Dolev und Sigal gelebt hatten.
Sigal, die im neunten Monat schwanger war, blieb mit ihren Kindern neun Stunden lang in dem Schutzraum. Der Kontakt zu Dolev war abgebrochen. Trotz ihrer brennenden Sorge gelang es Sigal den Kindern Ruhe zu vermitteln, auch wenn sie ohne Essen und Wasser auskommen mussten und sie zusätzlich befürchtete, dass die Wehen einsetzen würden. Sie überlebten, weil ihr Bunker, anders als die meisten anderen Schutzräume der Gegend, verschließbar war.
Als die IDF gegen 16:00 Uhr die Überlebenden in den Kindergarten des Kibbuzes brachte, um sie von dort zu evakuieren, fehlte von Dolev jede Spur. Mit jeder Stunde, die verging, wurde die Angst um ihn größer, eine Angst, die Sigal vor den Kindern zu verbergen versuchte. Da es auch in den Folgetagen kein Lebenszeichen von ihm gab und keine identifizierbaren Überreste gefunden wurden, nahm man an, dass er entführt worden sei.
Und das Entsetzen wuchs, als klar wurde, dass auch Dolevs Schwester Arbel fehlte. Jeder vierte aus Nir Oz war entweder entführt oder ermordet worden.
Keine Familie, die nicht betroffenen gewesen wäre, insgesamt nur 6 Häuser, die bei dem brutalen Massaker der Hamas nicht beschädigt und zerstört wurden! Das Paradies von einst bestand jetzt aus Asche und Trümmern und die Erde war getränkt vom Blut der Opfer.
Die Überlebenden fanden sich in einer Wirklichkeit wieder, die ein Alptraum war. Sigal hatte ihr Zuhause verloren, ihren Besitz. Bei der Evakuierung hatten sie in Eile und Gefahr nur das Notwendigste mitnehmen können. Die massiven Angriffe der Hamas gingen ungemindert weiter. Es dauerte rund 2 Wochen, bis die IDF das von der Hamas eingenommene israelische Terrain wieder unter voller Kontrolle hatte.
Sigal kämpfte gegen ihre atemraubende Angst, die aufsteigende Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Neun Tage nach dem Massaker setzten die Wehen ein und am 16. Oktober brachte Sigal ihre Tochter zur Welt. Alleine, in der Fremde. Es wurde eine in jeder Hinsicht schwere Geburt. Schwarze Stunden von einer erstickenden Qual und Einsamkeit, die keiner nachvollziehen kann.
Doch dies kleine neue Leben inmitten all des Verlustes und der Vernichtung war auch ein Lichtblick, ein starkes Hoffnungssignal für die Zukunft. Sigal nannte die Kleine „Dor“. Dieser Name leitet sich vom hebräischen Wort für „Generation“ ab und ist untrennbar mit dem Erbe verbunden, das von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Er steht für den Zyklus des Lebens, Kontinuität, und überbrückt dadurch Raum und Zeit. Außerdem enthält er die gleichen Anfangsbuchstaben wie Dolev und drückt damit aus, dass Dolev in Dor weiterlebt.
Nachdem sie wieder etwas zu Kräften gekommen war, beteiligte Sigal sich an den Anstrengungen von Dolevs Eltern, einflussreichen Politikern von dem Schicksal ihrer Familie zu erzählen und sie um Unterstützung bei der Befreiung von Dolev und Arbel zu bitten - obwohl sie nicht wusste, ob irgendetwas von dem, was sie tat, am Ende einen Unterschied ausmachte. Aber durch das Aktiv-Sein hielt sie ihre Hoffnung am Leben. Der Geiseldeal im November 2023 kam, aber keiner der beiden wurde frei gelassen. Sie fürchtete sich vor dem Aufwachen, und jede Stunde schien unendlich lang, aber sie kämpfte weiter – jeden Tag.
Als die Hoffnung zerbrach

Dolevs Grab in Nir Oz. Foto privat.
Der Funke Lebenswille
Alles, was einst Leben ausgemacht hatte, ist seit Monaten verloren, die Farben verblasst, das Lachen erstickt.
Doch: da sind die Kinder, die Sigal so dringend brauchen, die das Trauma vom 7. Oktober noch in sich tragen, mit einem schrecklichen Verlust fertig werden müssen, bzw. ihren Vater niemals erleben werden, denen sie Mutter und Vater sein muss. Da ist Arbel, die kleine Schwester von Dolev, die seit Monaten Unerdenkliches in den Terrortunneln erleidet und die auf ihre Befreiung hofft.
Unter diesen Umständen bleibt Sigal wenig Zeit zum Trauern. Doch wo und wie kann man beginnen, die Scherben seines Lebens wieder zusammen zu setzen?

Sigal, Witwe von Dolev, mit ihren Kindern: Raz, Yotam, Ron und Dor. Foto privat Sigal
Sigal möchte nicht wieder nach Nir Oz zurück. Die Kinder haben zu deutliche Erinnerungen an die schrecklichen Stunden und auch sie selber möchte nicht mehr so nahe an der Grenze leben. Die Ohnmacht jenes Tages, das Gefühl des Ausgeliefertseins und der Hilflosigkeit, die Tatsache, dass sie keine Kontrolle mehr über das eigene Leben hatte, haben sich tief in ihre Seele eingebrannt. Sie hat das Vertrauen verloren, sowohl zu dem eigenen Staat, der sie nicht geschützt hat, als auch zu den Gazanern, deren Hamas Kämpfer das schrecklichste Pogrom seit dem Holocaust – mitten in Israel! – verübten.
Aber ein Kibbuz soll es wieder sein. Sie sehnt sich nach dem Grün, den Rasenflächen und den Blumen – und nach einer Gemeinschaft, die zur Familie wird. Und so reist sie im Herbst 2024 in die Vereinigten Staaten, um dort für die Unterstützung und Finanzierung eines Neuaufbaus zu werben.
Wir lernen Sigal im Herbst 2024 kennen. Aufgrund unseres Projektes, mit dem wir Waisenkinder des 7. Oktobers unterstützen, haben wir Verbindung mit offiziellen israelischen Stellen aufgenommen, die den Kontakt zu Sigal herstellen.
Im April 2025 kommt es dann zu der ersten persönlichen Begegnung mit ihr und Hadas, deren Geschichte: „Hadas – Trauer, die auf ein Ende wartet“ ich bereits erzählt habe.
In Kiryat Gat, dem Ort, in dem sie seit Monaten mit ihren Kindern in einem Hochhaus lebt – immer noch provisorisch, immer noch evakuiert – steht uns eine große, schlanke, gutaussehende Frau mit hellen Augen gegenüber. Auch ihre Vorfahren waren Holocaustüberlebende – aus Czernowitz (Ukraine) die zunächst nach Brasilien und Argentinien geflohen waren. Ihre Eltern kamen dann nach Israel. Um hier eine sichere Heimat zu finden - ein Gedanke, der nach dem 7. Oktober wie eine Illusion klingt.
Wir freuen uns bei der Begegnung zu sehen, dass wieder mehr Leben in ihre Mimik und in ihre Augen zurückgekehrt ist. Als ich sie das erste Mal virtuell sah, konnte ich die Tränen kaum zurückhalten. So hoffnungslos, versteinert und voller Schmerz wirkte ihr Gesicht. Wenn sie jetzt erzählt, spürt man die Stärke, die in ihr lebt. Und manchmal kommt für Augenblicke ein Funkeln und Schalk in ihre Augen, die uns ahnen lassen, wie sie früher war.
Ein neues Zuhause
Das Leben geht weiter – auch wenn es an vielen Tagen nur ein Überleben ist. Doch Sigal hat ein klares Ziel: dass ihre Kinder trotz allem eine lebenswerte und lichterfüllte Zukunft haben werden – und ein neues Zuhause. Rund 40 Familien aus Nir Oz wollen nach Beit Nir ziehen: darunter auch Sigal und Hadas. Die Zustimmung der dortigen Einwohner haben sie erhalten. Und so soll die Erweiterung des Ortes in Angriff genommen. 2027 hoffen sie, in diesem Kibbuz, der deutlich weiter von der Grenze entfernt ist, eine neue Heimat zu finden.
Eine schöne Wende gab es Ende Januar 2025: Dolevs Schwester Arbel, wurde im Rahmen des damaligen Geiseldeals gegen eine Vielzahl verurteilter, palästinensischer Straftäter freigelassen. Die Umstände waren bis zur letzten Minute dramatisch: sie wurde von ihren Geiselnehmern bei einer Terrorpropaganda-Veranstaltung vorgeführt und durch eine tobende, drohende Menge geschoben. Doch schließlich war sie frei. Nach 572 Tagen! Sigal meint, dass ihre Schwägerin stärker und entschlossener aus der Gefangenschaft zurückgekommen ist. Trotz aller oder gerade wegen der erlittenen Qualen!

Dor, der Sonnenschein der Familie. Foto privat Sigal
Ein langer Weg
Wird Israel irgendwann wieder Frieden haben? Noch immer sind 58 Geiseln in der Gewalt der Hamas. Die Terrororganisation lässt lieber den gesamten Gazastreifen zerstören, als die israelischen Zivilisten, die sie vor mehr als 1,5 Jahren gewaltsam entführt hat, freizugeben. Immer noch wird Israel angegriffen. Erst Anfang Mai 2025 schlug eine Rakete aus dem Jemen, die nicht abgefangen werden konnte, nahe dem Flughafen Ben Gurion ein. Nicht auszudenken, was gewesen wäre, hätte sie die Ankunfts- oder Abflughalle getroffen. Israel wehrt sich mit aller Macht, aber sowohl die innere Kraft, als auch die Unterstützung durch andere Länder nimmt immer mehr ab.
Noch liegt ein weiter und schwerer Weg vor Sigal. Ihr Leben wieder neu aufzubauen, alleine aufzubauen, wird viel Kraft kosten. Wird die Leere in ihrem Herzen, die durch Dolevs Tod entstanden ist, irgendwann weniger schmerzen? Werden die schrecklichen Träume und Erinnerungen verblassen? Wird sie wieder vertrauen lernen?
Trotz allem Leid, gibt es Lichtfunken, die einen Weg durch das Dunkel in kommende Zeiten weisen. Denn wir spüren die Entschlossenheit in Sigal, nicht aufzugeben. Für ihre Kinder! Als wir sie fragen, wie wir helfen können, kommt die Antwort prompt: helft, mir eine schöne Zukunft für diese Kinder aufzubauen.
Das werden wir. Von ganzem Herzen und mit allem, was uns dafür zur Verfügung steht. Bleib stark, Sigal! Du bist nicht alleine!
Die Geschichte von Sigal ist Teil des Zyklus: Facetten der Wiederherstellung.
Brigitte Chaya Nussbächer und ihr Mann Harald Bottesch sind regelmäßig in Israel. Aktuell ist ihr Schwerpunkt Familien zu unterstützen, die von dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 direkt betroffen waren: Witwen und Waisen, Traumatisierte und Evakuierte. Bei ihrem letzten Israel-Einsatz im April 2025 haben sie erneut Betroffene besucht und Verbindungen mit spezialisierten Organisationen vor Ort geknüpft um spezifisch, langfristig und nachhaltig zu helfen.
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Erstveröffentlichung: 11. Juli 2025
Copyright © Brigitte Chaya Nussbächer; Abdruck nur nach vorheriger Genehmigung
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Schon früh wussten Sigal und Dolev, dass sie füreinander bestimmt waren und so waren sie seit ihrem 12. Lebensjahr zusammen. Gemeinsam entdeckten sie das Leben, aus Freundschaft wuchs Liebe. Dolev wurde ein erfolgreicher Bauingenieur, der in der Qualitätskontrolle tätig war und Sigal fand ihre Erfüllung im Lehrerberuf.
Bald gründeten sie eine Familie. Zuversicht und Lebensfreude waren die Pfeiler ihres Zusammenseins, sie liebten das Lachen.
Ein kleines Paradies, dessen Glück durch die häufigen Raketenangriffe aus dem 2 km entfernten Gazastreifen, nur marginal getrübt wurde. Man hatte gelernt mit der Bedrohung zu leben.
Weil es der IDF nicht gelungen war, Hinweise bezüglich Dolevs Aufenthalt im Gazastreifen zu erhalten, beschlossen sie Ende Mai, die bisher nicht identifizierten Überreste, die in Nir Oz gefunden wurden, neu zu bewerten. Die Identifizierung der Opfer war in vielen Fällen nahezu unmöglich, da die Leichen von den Terroristen stark verbrannt oder verstümmelt worden waren. Mit Hilfe forensischer und anthropologischer Experten konnte jedoch schließlich bestätigt werden, dass Dolev am 7. Oktober ermordet worden war.
Für Dolevs Eltern und Sigal brach die Welt zusammen. Erstickendes Dunkel legte sich auf ihre Seelen. Für Sigal war eine Zukunft ohne ihn undenkbar:
"Ich stehe hier, und du bist nicht an meiner Seite. Nicht hier, um meine Hand zu halten. Nicht hier, damit ich mich auf dich stützen kann, damit du mich auffängst, damit ich nicht falle. Ich hatte immer das Gefühl, dass du und ich für immer zusammengehören, wie im Märchen, dass uns nichts passieren kann. Du lebst so sehr in mir, aber du fehlst mir so sehr... Du bist mein ganzes Leben, meine ganze Welt. Eine Welt, die zerbrochen ist. Eine Welt, die zerstört wurde. Es wird immer eine Leere in meinem Herzen geben, eine Leere mit deinem Profil“.
Dolev wurde am 4. Juni 2024 in Nir Oz beigesetzt. Sein Grab ist eine in Stein gemeißelte Liebeserklärung von Sigal und seinen Kindern: originell, einzigartig, wunderschön!
Und die kleine Dor ist der Sonnenschein der Familie. Sie ist die Einzige, die keine furchtbaren Erinnerungen hat – dafür aber das sonnige Wesen ihres Vaters und Augen, die genau wie seine leuchten.
Ihr Frohsinn erhellt die Tage der anderen – sie gesund und munter aufwachsen zu sehen, ist ein Triumpf des Lebens über Tod und Terror.
Sie verkörpert die Bedeutung ihres Namens: in ihr und in den anderen Kindern lebt Dolev weiter. Sigal meint, dass die Kleine die stärkste von ihnen allen sei und ein Ansporn, eine Rettung für sie.

Das Geschwisterpaar Arbel und Dolev. Foto Sigal

Treffen mit Sigal und Hadas im April 2025 in Kiryat Gat. Foto privat

