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Yuvals Lied vom neuen Tag
Erinnerung an Schmerz und Zerstörung, Zeichen der Hoffnung
von
Brigitte B. Nussbächer

Israels Beitrag beim Eurovision Song Contest - Gewinner des Publikumsvotings

Yuval hat das unfassbare Grauen des Hamas-Massakers am 7. Oktober 2023 auf dem Gelände des Nova Festivals überlebt. Aus tiefem Schmerz, dem Verlust geliebter Freunde und dem Mut, weiterzuleben, ist ein besonderes Lied entstanden: das Lied vom neuen Tag. Es ist ein Aufschrei gegen die Dunkelheit, ein Bekenntnis zum Leben – und ein leuchtendes Zeichen der Hoffnung.

Ich wähle das Licht
Ich habe nichts zu verlieren,
Und selbst
Wenn du Lebewohl sagst –
Bleibst du in mir,
Hebst mich empor, trägst mich ins Licht.

Ein neuer Tag wird anbrechen
Die Dunkelheit wird verblassen,

All der Schmerz wird vergehen…

Was es Yuval kostet, diese Zeilen zu singen, ist nicht erahnbar. Es klingt wie ein melancholisches Liebeslied und strahlt doch so viel Hoffnung aus. Kein Wort verrät etwas von der Geschichte der Sängerin, kein Wort lässt erahnen, dass vielleicht mehr als der Bruch einer persönlichen Beziehung gemeint ist. Die unspezifischen Worte geben der ESC-Jury keinen Anlass, dass Lied wegen politischen Inhalten abzulehnen.

Und dennoch verbirgt sich dahinter eine schier unglaubliche Überlebensgeschichte. Denn Yuval hat das furchtbare Massaker der Hamas, vom 7. Oktober 2023, dass den Namen „Al Aksa Flut“ trug, überstanden. Und wenn man das weiß, bekommen die folgenden Worte eine tiefere Bedeutung.

Das Leben wird weitergehen
Jeder weint - Weine nicht allein
Wir werden bleiben
Selbst wenn du dich verabschiedest.
Viele Wasser können die Liebe nicht auslöschen
Auch die Fluten können sie nicht ertränken …

Sie stehen für den Willen der Israelis auch diesmal wieder aus den Trümmern aufzustehen, zu bleiben und das Land ihrer Väter auch nach diesem Schicksalsschlag wieder aufzubauen.

Sie stehen für den Willen Yuvals, ihrem Leben besondere Tiefe zu geben, gerade weil sie dem Tod an jenem Tag ins Auge gesehen hat, weil sie miterleben musste, wie die Menschen um sie herum zu Hunderten ermordet wurden – und dennoch überlebt hat an jenem Morgen auf dem Musikfestival.

Das Musikfestival

Die erste israelische Ausgabe des vor 20 Jahren in Brasilien gegründeten Open-Air-Festivals Supernova Sukkot Gathering, begann am Vorabend des jüdischen Festes Simchat Tora im Oktober 2023. Eine Feier von „Freunden, Liebe und unendlicher Freiheit“. Das kunstvoll dekorierte Gelände sollte wie eine magische Welt wirken. Der Ort ist fünf Kilometer vom Grenzzaun zum Gazastreifen entfernt und wurde nur von privaten Sicherheitskräften und Polizisten geschützt. Doch darüber machte sich keiner Gedanken - bis im Morgengrauen um 6:39 auf einmal die Musik abbrach und Alarmstufe Rot ausgerufen wurde, unzählige Raketen niedergingen und Hamas Terroristen mit Gleitschirmen, Pick-up-trucks und Motorrädern die improvisierte Verteidigung durchbrachen und das Gelände eroberten. Festivalbesucher versuchten sich vergeblich unter Büschen, in Müllcontainern und Toilettenanlagen zu verstecken oder zu ihren PKWs zu fliehen.


Was danach folgte war apokalyptisch: Geiselnahmen und Plünderungen, Vergewaltigungen, Morde! Überall verbrannte Autos und Leichen auf der Straße, rundum nichts als Wüste und tote Körper.

Die Straße der Verlorenen

Zahlreiche Flüchtende versuchten die umliegenden Siedlungen zu erreichen. Doch auch auf den Landstraßen waren die Terroristen unterwegs.

Ausblick Route 232

Sanddünen und Felder entlang der Route 232. Foto privat

An diesem Tag wurde Route 232 zu einer Straße des Terrors, auf der Hunderte vergeblich versuchten vor der Hamas zu fliehen. Auch Yuval und ihre Freunde hatten nach dem Abbruch der Party und dem Aufruf zur Evakuierung zunächst diese Option versucht. Sie kamen nicht weit. Die Straße war total verstopft, manche PKWs wendeten. Sie hielten ein Auto an, das in die andere Richtung fuhr und fragten, was los sei. Es wurde ihnen gesagt, dass die nächste Kreuzung von Terroristen besetzt war, die auf alle schossen, die sich näherten.

Es gibt unzählige Videos von diesem Tag des Todes, die auf dem Weg von den Angreifern aufgenommen und ins Netz gestellt wurden. Sowohl Feiernde vom Nova-Festival, die versuchten sich in die Ortschaften zu retten, als auch Bewohner der heimgesuchten Kibbuzim, die auf der Flucht waren, wurden brutal niedergemetzelt. Mehr als 110 Menschen wurden hier ermordet, ihre Leichen säumten den Straßenrand.

Heute ist diese Straße mehr oder weniger verlassen, denn in die stark zerstörten Kibbuzim ist das Leben noch nicht wieder zurückgekehrt. Sie ist zu einer Gedenkstraße geworden – viele gelbe Fahnen erinnern hier an die immer noch in Gaza festgehaltenen Geiseln.

Ein Friedhof, der nicht verstummen kann

Nova Gelände

Die Nova Gedenkstätte April 2025. Foto privat

Und aus dem Gelände neben dem Kibbuz Re’im, auf dem das NOVA FESTIVAL stattfand, ist eine Gedenkstätte entstanden. Dieser blutgetränkte Boden, der am 7. Oktober mit rund 400 Leichen bedeckt war, schreit noch immer zum Himmel. Kein anderer Ort, an dem das Morden in diesem Ausmaß stattfand, kein anderer Ort, wo die Menschen so wehrlos waren.

Nova Luftaufnahme

Das Nova Gelände nach dem 7. Oktober 2023. Privates Foto von Tafeln

Für jeden, der hier ermordet wurde, hat man eine Gedenktafel errichtet, für jeden wurde ein Baum gepflanzt, als Zeichen des Fortbestehens des Lebens. Und wenn man hier steht und vor sich dicht an dicht diese Tafeln sieht mit den Bildern, die an die Ermordeten erinnern, wenn man in diese jungen, lebensfrohen Gesichter blickt, die der Zukunft so vertrauensvoll entgegensahen, bekommt man eine leise Ahnung davon, was für ein grauenhaftes Massenverbrechen hier begangen wurde. Doch es ist nur eine Ahnung.


Denn nie werden wir, die nicht dabei waren, das Ausmaß der Gräueltaten, die hier begangen wurden, begreifen. Nie werden wir die Agonie nachvollziehen können, die diejenigen empfanden, die versuchten ihr Leben zu retten, die Todesfurcht derjenigen, die sich mit dem Blut anderer beschmierten, um ebenfalls für tot gehalten zu werden oder die sich unter den Leichen anderer versteckten. Die verzweifelt um Hilfe flehten, die nicht kam. Die mit ansehen mussten, wie andere niedergemetzelt, wie sie vergewaltigt und verstümmelt wurden. Viele davon haben mit diesen Bildern nicht weiterleben können und später Selbstmord begangen.


Heute liegt der große, stille Platz unter einer strahlenden Sonne. Besucher gehen leise von Bild zu Bild. Manchen laufen die Tränen über die Wangen – auch heute noch. Rund herum sind Stühle aufgestellt, die Angehörigen können herkommen und versuchen, hier ihren verstorbenen Liebsten nahe zu sein. Auch Soldaten besuchen diesen Ort regelmäßig – um zu begreifen, was geschah und um zu wissen, wofür sie kämpfen: damit sich ein 7. Oktober nie wiederholen kann, auch wenn das weiterhin das zentrale Ziel der Terrororganisation Hamas bleibt, welches sie gerne laut und deutlich wiederholt.

Nova Teilnehmer

Tafeln, die individuelle Schicksale schildern. Foto privat.

Informationstafeln wurden aufgestellt, die versuchen, in kargen Worten festzuhalten, was sich ereignete. Aber vor allem zeigen viele der individuellen Gedenktafeln mittlerweile nicht nur ein Gesicht und einen Namen, sondern erzählen auch eine kurze Geschichte. So bleibt die Erinnerung an alle diese Opfer lebendig und so sind es nicht einfach nur Zahlen und Informationen. Die individuellen Schicksale, die dahinterstanden, werden erahnbar, wenn man diese Inhalte liest.


Doch die Ruhe ist trügerisch. Während wir im April 2025 hier stehen, zerreißen plötzlich ohrenbetäubende Detonationen die Stille. Man möchte in Deckung gehen, doch dafür ist es schon zu spät. Auf diesem Platz hat man 15 Sekunden Zeit, um Zuflucht zu suchen. 15 lächerliche Sekunden, bis die Rakete einschlägt. Und die Bunker, die hier stehen, bieten allenfalls Schutz vor Flugkörpern, gegen heranstürmende Terroristen waren sie wirkungslos. Im Gegenteil, sie wurden zu Todesfallen, in denen am 7. Oktober Dutzende auf einmal ermordet wurden.

Yuval

Yuval Raphael

Yuval Raphael. Offizielles ESC-Foto

Wie lebt man nach so einer Erfahrung weiter? Wie geht man damit um? Yuval nahm therapeutische Hilfe in Anspruch, um mit den inneren Wunden und der grausamen Erinnerung leben zu lernen.  Aber woher nimmt man den Mut, nicht nur irgendwie weiterzumachen, sondern ins Rampenlicht zu treten und eine Stimme für Israel zu sein? Sie wird den 7. Oktober nie vergessen können, aber Trauma und Schmerz können sie nicht aufhalten. Yuval fand trotz all des Grauens die innere Kraft wieder aufzustehen.

Und mehr als das. Dass sie darüber berichtet, was am 7. Oktober geschah, ist ihre Art zu kämpfen. In der Situation damals war sie hilflos – aber jetzt versucht sie mit ihren Worten und Botschaften dafür zu sorgen, dass so etwas niemals wieder vorkommen wird. Darüber zu sprechen, gibt ihr Kraft. Ihr Leben, ihr Überleben soll eine Botschaft der Hoffnung sein. Und so vertritt sie rund anderthalb Jahre später Israel am 15 und 17 Mai 2025 beim Eurovision Song Contest in der Schweiz und damit vor der ganzen Welt. Was für eine Resilienz!

Auch wenn es noch nicht vorbei ist, auch wenn immer noch 58 Geiseln in Gaza festgehalten werden und der Krieg daher immer noch andauert, singt sie davon, dass ein neuer Tag anbricht, der Beginn einer neuen Zukunft. Menschen wie sie sind diejenigen, die dazu beitragen, dass Israel nach jeder Katastrophe wieder aus der Asche aufsteht. Am Israel Chai – Israel lebt!

„Ein neuer Tag wird anbrechen, das Leben wird weitergehen! ...
Die Dunkelheit wird verblassen, all der Schmerz wird vergehen
Und wir werden bleiben, auch wenn du dich verabschiedest“

Yuval Raphael erreichte am 17. Mai 2025 beim ESC in Basel den 2. Platz.

Wenngleich die Jurys Israel die verdiente Wertschätzung verweigerten und mit nur 60 Punkten auf Platz 15 verwiesen.

Doch Yuvals wunderschöne, allegorische Ballade, vorgetragen mit einer glasklaren Stimme, großer Herzenswärme und berührender Zuversicht vor einem exquisiten, dramatischen Bühnenbild, bewegte und überzeugte Zuhörende aller Länder. Israel gewann das Publikums Voting mit 297 Punkten - ungeachtet dessen, dass meinungsbildende Nachrichtensender gerade in den letzten Tagen Israel mit Kritik und verurteilenden Kommentaren überhäuften und damit die in Basel rund um den ESC stattfindenden Anti-Israel-Protesten befeuerten.

Doch noch überzeugender als Yuvals überragende musikalische Darbietung ist ihre Entschlossenheit, Israels Feinden weltweit mit einer Botschaft der Liebe und der Hoffnung die Stirn zu bieten und der Mut, ihren Auftritt mit den Worten „Am Israel Chai – Israel lebt“ zu beenden, obwohl die Schweizer Polizei erst an dem Abend des Finales 700-800 vermummte Menschen mit Gewalt daran hindern musste, das Veranstaltungsgelände zu betreten und trotz eines versuchten Angriffs auf der Bühne. Menschen wie sie stehen für Israels Überleben seit 77 Jahren und sind diejenigen, die dazu beitragen, dass das Land nach jeder Katastrophe wieder aus der Asche aufsteht.  

Yuval, es ist uns eine Ehre, Deine Geschichte zu erzählen!


PS. Yuvals Statement nach dem Ergebnis: "Alles was ich wollte, war mein Land stolz zu machen und ihm eine Sekunde des Friedens zu schenken. Doch ein wirklicher Sieg ist erst dann errungen, wenn alle unsere Geiseln wieder zu Hause sind!"

Die Geschichte von Yuval Raphael ist Teil des Zykluses: Facetten der Wiederherstellung

Brigitte Nussbächer und ihr Mann Harald Bottesch sind regelmäßig in Israel und unterstützen Familien, die von dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 direkt betroffen waren: Witwen und Waisen, Traumatisierte und Evakuierte.

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Erstveröffentlichung: 15. Mai 2025

Copyright ©  Brigitte B. Nussbächer; Abdruck nur nach vorheriger Genehmigung

Yuval Raphael Portrait

Yuval Raphael. Offizielles ESC-Foto

5 x Davidstern

Route 232  ist die Straße in den Süden, die die ganzen israelischen Ortschaften an der Grenze zu Gaza verbindet.


Es ist eine malerische Strecke. Sanddünen, die daran erinnern, dass wir uns hier in der Negev Wüste befinden und bestellte, grüne Felder wechseln sich links und rechts ab.

Der Horizont ist weit, der Blick schweift ungehindert in die Ferne. Es ist eine Landschaft zum Genießen gewesen – bis zum 7. Oktober.

Verbrannte Autos Nova

Straße 232 nach dem 7. Oktober 2023.
Privates Foto von Tafeln

Infotafel Nova

Informationstafel.
Foto privat.

Auch Yuval hatte auf diesem Musikfestival getanzt. Nachdem sie erfahren hatte, dass die Fluchtwege besetzt waren, hatte auch sie sich mit vielen anderen in einen öffentlichen Luftschutzbunker am Straßenrand geflüchtet, der jedoch von den Terroristen entdeckt und mit Handgranaten angegriffen wurde. Die Schüsse und Explosionen töteten fast alle darin. Sie überlebte nur, weil sie sich unter den Leichen anderer versteckte und unbewegt ausharrte – viele Stunden lang!

Eine fürchterliche Ewigkeit lang. Wie schwer ist eine Leiche, die auf einem liegt? Wie fühlt es sich an, wenn fremdes Blut auf einen tropft? Nur ein knappes Dutzend überlebten von den 40-50 Jugendlichen, die sich hier zusammengepfercht hatten.

www.youtube.com/Yuval.Raphael "New Day Will Rise"

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Route 232 Israel

Die Straße 232 erinnert an die Geiseln. Foto privat

Nova Teilnehmerin

Individuelle Gedenk-Tafel .
Foto privat.

Wie wir das Wunder Israel erlebt haben

von Brigitte B. Nussbächer

Wir haben in Israel mit eigenen Augen wahrgenommen, wie Gott zu seinem Volk steht. Wir haben anhand von Fakten und Tatsachen gesehen, wie die Aussagen der Bibel Realität werden und wir haben überall im heutigen Israel Gottes in Erfüllung gehende Verheißungen erlebt.​

Vorausgegangen war eine eher mühsame Entscheidungsfindung. Israel einmal zu besuchen gehörte zur „Allgemeinbildung“ von Christen. Trotzdem hatte es mich nicht hingezogen und die Berichte derer, die von Reisen aus Israel zurück kehrten, hatten wenig dazu beigetragen, es zu ändern. Wenn sie von den sogenannten „Heiligen“ Stätten berichteten, fragte ich mich immer, was es mir denn bringen würde, diese Ruinen oder Gedenkkirchen anzusehen. Viel mehr interessierte mich, was Gott heute in der Gegenwart erlebbar machte.

Letztlich war es dann tatsächlich auch ein anderer Gedanke, der den Anstoß zu dem Besuch gab. 2018 feierten mehrere nach dem 2. Weltkrieg gegründete Staaten ihr 70. Jubiläum – darunter auch Israel. Nachdem wir Dokumentarfilme über Indien und Pakistan zu dem Thema gesehen hatten, fragte ich mich, wie wohl Israel diese 70 Jahre genutzt hatte. Im Vergleich zu den anderen Staaten musste es ungleich schwerer gewesen sein, aus dem Nichts etwas aufzubauen.  Noch 1867 hatte Marc Twain das Land als desolat, eine stille, traurige Weite ohne Mensch, Baum und Strauch bezeichnet. Was war daraus geworden?

Und so begaben wir uns auf eine geschichtliche Studienreise, was sich im Nachhinein als Volltreffer erwies. Nie hätten wir in einem Individualurlaub so viel erfahren und kennen gelernt.

Noch während wir vom Flughafen Ben Gurion nach Tel Aviv fahren, hören wir die Entstehungsgechichte dieser Stadt, von der Parzellverlosung an ein paar Dutzend Familien nördlich der jahrtausende alten Hafenstadt Jaffa im April 1909. Diese wollten auf den Sanddünen, die der niederländische Bankier Jacobus Kann gekauft hatte, die erste jüdische Stadt der Moderne bauen. Und dann fahren wir auch schon an den ersten Hochhäusern vorbei und nach Tel Aviv hinein, welches heute (rund 100 Jahre später) die modernste und weltoffenste Metropole des gesamten Nahen Ostens ist.


Im sehr originell und lebendig gestalteten Palmach Museum in Tel Aviv erfahren wir von dem beeindruckenden Kampf des jüdischen Volkes für seine Unabhängigkeit. Und von der Vorgeschichte: als die UN 1947 beschloss, das ehemalige britische Mandat in 2 Länder aufzuteilen: ein jüdisches und einen arabisches. Von dem Protest der Araber und von dem Druck, der auf die Juden ausgeübt wurde, diese Chance nicht zu nutzen. Von der Proklamation des jüdischen Staates durch David Ben Gurion am 14. Mai 1948 und von dem Angriff der 5 arabischen Länder Ägypten, Syrien, Jordanien, Irak & Libanon um Mitternacht am gleichen Tag.

Man muss sich die damalige Situation vergegenwärtigen. Ca. 650.000 Juden, viele von ihnen Holocaustüberlebende, die gerade erst das Grauen hinter sich gelassen hatten, versuchten Israel, welches als neugegründeter Staat keine Armee besaß, mit Gewehren, Maschinenpistolen und Granatwerfern gegen eine Mehrheit von 160 Millionen Arabern (ausgerüstet mit Panzern, Artillerie, Schützenpanzerwagen, Flugzeugen und Kriegsschiffen) zu verteidigen. Ein Verhältnis von 1 : 246!  Dabei wird einem die menschliche Ausweglosigkeit bewusst und dass das Überleben Israels ein Wunder ist.  Mit Tränen in den Augen verlasse ich das Museum. Jetzt verstehen wir, welch hohen Preis das jüdische Volk (nach der Auslöschung der 6 Millionen durch den Holocaust)  im Unabhängigkeitskrieg für seine Existenz bezahlt hat.

Umso mehr staunen wir über die Lebensfreude und Energie, die heute auf den Strassen Tel Avivs spürbar ist und die wir bei den Menschen, denen wir begegnen, erleben. Wir sehen die Fähigkeit dieses Volkes schnell aus dem Nichts etwas aufzubauen (sie haben weltweit die 2 höchste Anzahl von Start Ups), ihre Genialität Lösungen für scheinbar Unlösbares zu finden, wie zum Beispiel mit Wasserentsalzungsanlagen am Mittelmeer den Wassermangel zu beheben und durch computergesteuerte Tröpfchenbewässerung Plantagen in der Wüste anzubauen. Wir sind überrascht, dass Israel die zweithöchste Akademikerquote und die dritthöchste Patentquote der Welt hat und bewundern, dass 23% aller Nobelpreisträger aus diesem kleinen Volk, dass nur 0,2 % der Weltbevölkerung ausmacht, stammen.

Wir erleben ihre Kreativität sowie ihren Sinn für Kunst und Schönheit. Israel hat gemessen an der Anzahl der Einwohner die meisten Museen und Orchester per capita und liegt auf Platz 2, was die Anzahl der verlegten Bücher anbelangt. Wer hier ein Konzert besucht, wird einem sehr hohen künstlerischen Niveau und großer Begeisterung des Publikums begegnen.

Wir streifen durch Städte, Orte, Landschaften und sind beeindruckt: unglaublich was hier in nur 70 Jahren geschaffen wurde. Dort wo sich früher Sümpfe, Sanddünen und wüstes Land befanden, haben Pioniergeist, Innovation und Durchhaltevermögen überall blühendes Leben entstehen lassen. Israel ist das einzige Land, in dem die Wüste rückläufig ist, Millionen Bäume wurden gepflanzt und entlang der Autobahn blüht tropfenbewässerter Oleander. Aus dem armen Agrarstaat ist ein Land mit führender Technologie und einer starken Währung entstanden. Israel gehört heute zu den 10 einflussreichsten Ländern der Welt und liegt auch im Happiness Ranking vorne. (Siehe Grafik unten)

Je mehr Israelis wir persönlich kennen lernen, desto mehr schätzen wir ihre konstruktive Einstellung, ihre Dynamik und ihren Mut – trotz ihres bis heute andauernden Ringens um ihr Recht auf Existenz.

Wir hören von den Kämpfen im 6 Tage Krieg 1967, von der Befreiung der Altstadt Jerusalems und wie die Juden wieder Zugang zu ihrer heute heiligsten Stätte, der Westmauer, erlangten.

Und von dem „Tal der Tränen“, so benannt nach der anfänglich auswegslosen Situation im Jom Kippur Krieg 1973, als die syrische Armee mit über 1.000 Panzern im Norden Israels einbrach und von weniger als 200 Panzern auf israelischer Seite aufgehalten wurde.

Wir sehen den Wiederaufbau nach wiederholter Zerstörung, sei es nun die Hurva Synagoge in Jerusalem oder die Siedlungen in Gush Etzion.

 

Und wir nehmen wahr, dass selbst die häufigen Terroranschläge in dieser Gegend den Menschen weder die Lebensfreude noch den Lebensmut rauben können, auch wenn sie schmerzliche Verluste zu beklagen haben.

Wir erleben die „Wächter Israels“, die jungen Soldaten und Soldatinnen auf den Straßen, die für Sicherheit sorgen und lauschen den Zeugnissen von sogenannten „einsamen“ Soldaten, die freiwillig ihr Heimatland, Verwandte, Freunde und ein angenehmes Leben verlassen, um in der IDF (Israels Defence Forces) zu dienen. Tatsächlich spielt die IDF auch eine wichtige Rolle bei der Integration und der Schaffung eines gemeinsamen Nenners in der israelischen Gesellschaft.

Denn die Bevölkerungsvielfalt ist erstaunlich. Die Holocaust Überlebenden von überall aus Europa, die ca. 700.000 Juden, die nach Israels Gründung aus den umliegenden arabischen Ländern vertrieben wurden, die Einwanderung aus Afrika und die großen Aliyah-Wellen aus der ehemaligen Sowjetunion haben alle dazu beigetragen. Die Bevölkerungszahl Israels hat sich in den letzten 75 Jahren ver-14-facht (im Vergleich dazu hat sich die Weltbevölkerung in den letzten 50 Jahren „nur“verdoppelt).

Am liebsten hören wir jedoch die Geschichten von jenen, die freiwillig nach Israel kamen, weil sie es als ihre Aufgaben betrachten, dieses Land aufzubauen und sich mit großer Energie dafür einsetzen.

Was uns aber am allermeisten beeindruckt – und tatsächlich auch überrascht hat - ist die intensive, innige und lebendige Beziehung, die viele Juden zu Gott haben. Da uns in den säkularen, kirchlichen und freikirchlichen Kreisen, aus denen wir stammen, die Rolle und Bedeutung von Israel und dem Judentum nicht vermittelt worden war, weder als geistliche Wurzel noch für die Zukunft, waren wir implizit davon ausgegangen, dass so eine Beziehung zu Gott nur bei Christen möglich sei. Jetzt sahen wir mit eigenen Augen wie falsch diese Annahme war.

Heute weiss ich, dank dem erschütterndem Buch „Holocaust“ von Susanna Kokkonen, dass der christliche Glaube bewusst vom Judentum differenziert wurde, seit Kaiser Konstantin der Große die Anerkennung des Christentums als rechtmässige Religion einführte, sich aus politischen Gründen zum Oberhaupt der Kirche ernannte und das erste Konzil im Jahre 325 einberief. Er erklärte, dass die Juden für den Tod Jesu verantwortlich wären, also betrachtete man sie als „Gottesmöder“; verdammt und der Gnade Gottes und der Menschen unwürdig. Eine weitere Lehre dieser Zeit, die „Ersatztheologie“ besagt, dass Israel seine Rolle in Gottes Plänen verspielt hätte und die Christen nun das neue Israel seien. Die Kirchenväter vor und nach diesem ersten Konzil verleugneten den ewigen Bund zwischen Gott und den Juden systematisch, beziehungsweise glaubten, dass Gott diesen Bund aufgehoben hätte.

Der Einfluss dieser Lehren die seit über 1700 Jahren im Umlauf sind, ist erschreckend tiefgreifend. Im Grunde wurde hier schon die Legitimation für Judenhass und Judenverfolgung geschaffen, für Verleugnung und Ignoranz. Hier liegt der idelogische Ursprung von Inquisition, Progromen, Kreuzzügen und Holocaust.

Eine Konsequenz daraus war, das einerseits bei Übersetzungen versucht wurde, die Hinweise auf das Judentum auszulassen und andererseits bei vielen christlichen Themen der jüdische Ursprung nicht erwähnt wurde. Beispiele dafür sind christliche Feste, die alle ihr Äquivalent in den jüdischen biblischen Festen haben (z.B. Passah-Ostern, Schavuot-Pfingsten, Weihnachten-Chanukka) oder auch andere Bräuche: so zum Beispiel ist die jüdische Bar Mitzwa, bei der junge Erwachsene in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen werden, das Vorbild für Kommunion/Konfirmation/Jugendweihe - um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Das gleiche spiegelt sich auch in der Kunst. Wer z. B. durch die Uffizien von Florenz streift, (eines der berühmtesten Kunstmuseen der Welt mit Werken der Malerie und Bildhauerei von der Antike bis zum Spätbarock), stellt fest, dass es aus dem Alten Testament Bilder von Adam und Eva gibt. Das nächste große Thema ist die Ankündigung von Jesu Geburt. Alles was dazwischen liegt, ist ausgeblendet.

So sind sich viele bis heute des jüdischen Erbes nicht bewusst. Derek Prince, ein Bibellehrer unserer Zeit (und die, die mich schon lange kennen, wissen, dass ich jahrelang für Derek Prince Ministries gearbeitet habe), fasste es einmal so zusammen: Wir stehen tief in der Schuld des jüdischen Volkes.
Ohne dieses hätte die Gemeinde keine Patriarchen, keine Propheten, keine Apostel , keine Bibel und keinen Erlöser. Wenn uns all das fehlen würde, was gäbe es dann noch, was uns das Heil bringen könnte? Alle Nationen der Erde verdanken das Wertvollste an ihrem geistlichen Erbe den Juden.

Aber obwohl wir Derek Prince persönlich begegnet waren und viel von unserem Israel-Bild von seinen Worten geprägt war, mussten wir feststellen, dass auch wir Gefangene des Denkens der Kirchenväter waren. Auch wir hatten gedacht, dass die Juden verloren sein mussten, da man ja nur durch Jesus zum Vater kommen könne und übersahen dabei geflissentlich, dass Paulus in Römer 11 eindeutig sagt, dass Gott sein Volk nicht verstossen hat (Vers 1), dass er seine Gaben nicht zurück fordert und die Zusage seiner Erwählung nicht widerruft (Vers 29).

Und jetzt waren wir in Jerusalem und begegneten dem jüdischen Volk Israel erstmalig in seinem eigenen Land.

Was für uns ganz eindeutig wurde, war, dass die Gründung und das Überleben dieses Staates, seine schnellen Fortschritte und Errungenschaften, der Lebensmut und die Kraft, die man in so vielen Menschen in Israel beobachten kann, rational und menschlich nicht zu erklären sind, sondern auf eine besondere Energiequelle und Kraft zurück führen. Hier in Israel war Gott überall im Alltag erlebbar.

Seit über 2000 Jahren spricht die Bibel von einem lebendigen Gott, der Israel als sein Volk auserwählte und der verhieß, dies Volk nach seiner Zerstreuung wieder in das Land seiner Vorfahren zurück zu bringen und es besonders auszustatten. Dies jedoch auf einmal mit unseren eigenen Sinnen zu sehen, zu beobachten, veränderte uns.

Als wir am Ufer vom See Genezareth sassen, kam mir der Gedanke, dass Juden vorgeworfen wurde, Jesus nicht erkannt zu haben – obwohl doch das, was um ihn herum geschah, offensichtlich und eindeutig war … Und dass heute viele Christen das, was Gott in und mit Israel tut, nicht erkennen – obwohl es ebenso offensichtlich und eindeutig ist.

Wir begannen die Bibel mit anderen Augen zu lesen. Was wir bis dahin überlesen hatten, stach jetzt deutlich hervor.

Wenn man sich vergegenwärtig, dass Jesus in Matthäus 5,17 selber gesagt hat „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen“, dann kann man die Bedeutung von Israel und Jerusalem schwer überlesen.

Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird Errettung sein – steht in Joel 3,5

Und Sacharjia weissagt in Kapitel 8, 22: Menschen aus großen und mächtigen Völkern werden nach Jerusalem kommen, um den HERRN, den Allmächtigen, zu suchen und den HERRN gnädig zu stimmen.

Jesaja prophezeit in Kapitel 60, 2-3: Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir (Zion) geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Völker werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.

Wir haben in Israel mit eigenen Augen wahrgenommen, wie Gott zu seinem Volk steht. Wir haben anhand von Fakten und Tatsachen gesehen, wie die Aussagen der Bibel Realität werden und wir haben überall im heutigen Israel Gottes in Erfüllung gehende Verheißungen erlebt.

 

Die Bibel spricht in Sacharja 8,23 davon, dass „in jenen Tagen zehn Menschen aus Völkern mit lauter verschiedenen Sprachen einen Mann aus Juda am Rockzipfel festhalten werden und bitten: Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott bei euch ist“ - für uns sind diese Tage bereits angebrochen…die Beziehungen zu unseren jüdischen Freunden und die Verbindung zu Israel sind zu einer der wertvollsten Konstanten, einer Bereicherung und einer Quelle des Lernens in  unserem Leben geworden.

Davidstern grün
Flughafen Ben Gurion

„Bruchim haba'im le’Israel - Willkommen in Israel” klang die Stimme des Piloten aus den Lautsprechern und das Flugzeug rollte langsam zur finalen Position. Wir sahen neugierig aus dem Fenster. Was würden wir in diesem Land, über das so viel Widersprüchliches berichtet wird und dass es vor 100 Jahren noch nicht gab, vorfinden? Ich wusste damals nicht, vor welcher lebensverändernden Erfahrung ich stand!

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