Rony & Ofer: Innere Stärke
Teil 2 aus dem Zyklus: Facetten der Wiederherstellung (Unterstützung für Evakuierte)
von Brigitte B. Nussbächer
Rony und Ofer haben ihr Leben lang Segensspuren in ihrem Umfeld hinterlassen. Ihr Mut und ihr Einsatz in schwierigsten Situationen hat viele gerettet. Auch am 7. Oktober 2023. Solange Israel über so großartige Menschen verfügt, wird es immer Hoffnung und eine Zukunft geben.
Manchmal begegnet man Menschen, die eine verborgene innere Stärke haben. Man sieht es ihnen nicht an, denn sie tragen ihren Mut nicht sichtbar vor sich her, aber er ist da, immer wenn er gebraucht wird. Still und unauffällig tragen sie schwere Lasten und werden zu Rettern – für die, die in ihrem Umfeld sind. Solche Menschen sind Rony und Ofer.
Wir haben sie erstmalig im April 2024 getroffen. Vor dem 7. Oktober haben sie in Kerem Schalom (deutsch: Weinberg des Friedens) gelebt. Doch der Name ist ein Wunschprogramm, das leider nicht zu Realität geworden ist, denn der kleine Kibbuz liegt nur 30 Meter von der Grenze zum Gazastreifen und 300 Meter von Ägypten entfernt. Auch Kerem Shalom wurde am 7. Oktober brutal von Hamas-Terroristen überfallen.
Die einsame Straße
Als wir im April 2024 in Israel sind, um uns mit eigenen Augen ein Bild von der Lage zu machen und darüber zu berichten, erklären sich Rony und Ofer bereit uns Kerem Schalom zu zeigen. Es ist unsere letzte Reise in den Süden in dem Jahr und sie bringt uns in den Vorhof der Hölle, denn die Stadt Rafah, in der sich Terroristen und Flüchtlinge aus Gaza drängen, ist nur einen Kilometer weit. Man kann vom Aussichtspunkt des Kibbuz problemlos in die benachbarten Länder und auf Rafah sehen – sofern man bereit ist, sich zur Zielscheibe zu machen. Es ist der Zeitpunkt kurz vor dem iranischen Angriff am 14. April und vor dem Einrücken der israelischen Armee in Rafah im Mai.
Es wird eine gespenstische Fahrt. Die Straßen hier im evakuierten Süden sind sowieso sehr leer. An diesem Tag scheinen wir die einzigen zu sein, die sich auf den Weg gemacht haben. Wir wurden am Vortag vom Deutschen Auswärtigen Amt kontaktiert. Es wird uns empfohlen, in der Nähe des Bunkers zu bleiben und darin Wasser, Lebensmittel und Medikamente vorzubereiten. Wir haben in unserem Hotel gefragt, wo sich dieser befindet. Es wurde uns ein Lagerraum gezeigt, der verstärkte Wände und eine Metalltüre hat – unser provisorischer Schutzraum.
Die Schlagzeilen in den israelischen Medien lauten: „Israel bereitet sich auf einen direkten Raketenangriff aus dem Iran innerhalb von 24 bis 48 Stunden vor!“ Washington weist seine Mitarbeiter und Diplomaten an, ihre Domizile nicht zu verlassen. Egal in welche Medien man sieht, überall schreien einem die Warnungen entgegen. Doch Rony und Ofer sagen den Termin nicht ab, obwohl sowohl sie, als auch wir aus Jerusalem, eine mehrstündige Anfahrt haben. Für sie ist es ein ganz praktisches Beispiel, wie man der Gefahr trotzt und sich der Gewalt nicht beugt. Gerade als Bewohner der Grenzregion haben sie lange Erfahrung damit.
Für uns ist so eine Situation ein absolutes Novum. Wann wurde einem in den letzten 70 Jahren in Westeuropa empfohlen, sein Haus wegen der Gefahr eines militärischen Angriffs nicht zu verlassen? Aber wir sind nicht als Touristen hier. Wir sind mit dem Ziel gekommen, uns mit Israel eins zu machen, anzupacken und zu helfen, wo wir können; Zeitzeugen zu sein. So entscheiden wir, trotzdem zu fahren.
Und erkundigen uns, was wir tun sollen, wenn uns ein Angriff auf dem Weg überrascht: das Fahrzeug verlassen, sich auf den Boden legen und den Kopf mit den Händen schützen. Auf Autobahnen und Überlandstraßen gibt es sonst keine Schutzmöglichkeiten. So „gerüstet“ machen wir uns auf.
Auf dem Weg nach Kerem Schalom stoßen wir auf zwei Militärkontrollen. Wir müssen uns ausweisen und erklären, warum wir da sind. Wir sehen in lauter staunende, ungläubige Gesichter. Bei der zweiten Kontrolle reichen unsere Angaben nicht aus. Ich rufe Ofer an, der den Militärs die Situation auf Hebräisch erklärt und bestätigt, dass wir mit ihnen den Kibbuz, der zur militärischen Sperrzone gehört, besuchen dürfen. Die Soldaten entspannen sich, lächeln und schließlich erlauben sie uns weiterzufahren. Man hat das Gefühl, jeglichen Schutz im wahrsten Sinne des Wortes hinter sich gelassen zu haben.
Wir treffen Rony und Ofer am Eingang zum Kibbuz und können es kaum glauben: blühende Bäume, Vogelgezwitscher – eine absolute Idylle empfängt uns. Auf den ersten Blick glaubt man im in einem Garten Eden zu sein – auf den zweiten merkt man, dass es keiner mehr ist. Und wir sind mit ihnen ganz alleine hier – alle Einwohner wurden nach dem Massaker evakuiert. Sie erzählen uns ihre Geschichte.
Einst ein Garten Eden
Kerem Schalom ist ein kleiner Kibbuz mit 230 Einwohnern gewesen. Aufgrund der extrem exponierten Lage, direkt an zwei Grenzen, gibt es hier nicht nur einen Zaun, sondern eine 6 Meter hohe Betonmauer. Diese Wand wurde an vier Stellen von Terroristen am Morgen des 7. Oktober weggesprengt (u. a. die weiße und die drei intensiv rosa Platten). Glück im Unglück war die Uhrzeit, zu der es geschah: eine halbe Stunde später wären viele in der Synagoge gewesen. Aber so wurde der Einbruch schnell bemerkt, allerdings herrschte Verwirrung, weil die Terroristen israelische Uniformen trugen und so, auf Entfernung, nur schwer von den Israelis zu unterscheiden waren.

Kerem Shalom liegt direkt an zwei Grenzen. Foto privat.
Insgesamt über 200 Hamas Männer stürmten in Wellen in den Kibbuz – aber im Unterschied zu anderen Kibbuzim trafen sie hier auf Widerstand. Der Chef des Sicherheitsteams von Kerem Shalom hatte sich - auf eigene Verantwortung - der Anweisung des Verteidigungsministeriums widersetzt, die Waffen im Waffenraum zu lagern. So kam es, dass sich die Sicherheitskräfte sofort verteidigen konnten. So aussichtlos die Situation schien, sie hörten nicht auf sich zur Wehr zu setzen, obwohl sie zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen waren. Stunden lang herrschte ein erbitterter Kampf. Trotz aller Gegenwehr wurde erheblicher Schaden angerichtet: an vielen Stellen sind Einschüsse zu sehen.

Einschüsse, Zeichen von Kämpfen mit der Hamas in Kerem Schalom. Foto privat
Das Wunder von Kerem Shalom
Auch Menschen wurden verletzt. Sogar sehr schwer. Und hier beginnt die ebenso dramatische, wie berührende Geschichte von Rony und Ofer. Beide sind medizinische Ersthelfer. Als sie verständigt wurden, dass dringende medizinische Hilfe gebraucht wird, reagieren die beiden mit unglaublicher menschlicher Größe. Anstatt sich um ihre eigene Sicherheit zu sorgen, verlassen sie ihren Bunker und bahnen sich durch den Kugelhagel der Terroristen einen Weg zu den Verletzten. Rony erzählt, dass sie nie im Leben solche Todesangst hatte, wie an jenem Tag. Doch es gelingt ihnen, die Verwundeten zu erreichen und sie kämpfen um deren Leben – erfolgreich.
Nach sieben Stunden geht die Munition im Kibbuz zu Ende. Die Lage ist verzweifelt. Doch dann trifft das Militär ein – gerade noch rechtzeitig und deutlich früher als in den andere Ortschaften, weil sich der Sicherheitschef von Kerem Shalom schon am Morgen direkt mit der Armee in Verbindung gesetzt hatte. Langsam bringen die Soldaten alle Einwohner, mit Geleitschutz, in das Ortszentrum. Große Erleichterung bei jedem der eintrifft, auch wenn etliche verletzt sind. Rony möchte vermeiden, daß die Kinder einen weiteren Schock bekommen und wischt deshalb das Blut der Verwundeten auf. Sie ist Lehrerin, Kunsttherapeutin und hat früher Kurse gegeben. Sie kann Kinderseelen gut einschätzen und kennt sich mit Traumata aus. Deshalb übernimmt sie diese traurige Aufgabe, doch danach hat sie lange das Gefühl, selber nicht mehr sauber werden zu können.
Mit dem Bus werden die Evakuierten nach Eilat, in den Süden, gebracht. Auf der Fahrt kümmert sich Rony um die Kinder – das lenkt sie ab. Später kommt der Tiefpunkt: an die nächsten fünf Tage hat sie keine Erinnerung mehr.

Rony und Ofer retteten am 7. Oktober Terroropfern das Leben. Foto privat
Was uns bei der Begegnung mit ihnen auffällt: sie sind von allen, die wir besucht haben, diejenigen, die sich nicht nur um ihre eigene Sicherheit gekümmert haben, sondern an andere dachten und bereit waren, sogar ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um ihnen zu helfen. Und sie wirken stärker und positiver auf uns, als alle, die ihren Schutzbunker nicht verliessen. Jetzt stellt sich die Frage: Waren sie in der Lage, sich um andere zu kümmern, weil sie stark sind, oder ist es die Fürsorge für andere, die sie am Ende selber stärkt?
April 2025
Seither sind 18 Monate vergangen. Heimkehren konnten sie noch nicht. Nach drei Monaten in Eilat wurden sie nach Ashalim umgesiedelt, einem kleinen Ort 35 km südlich von Beer Sheva – mitten in der Negev-Wüste. Rony hat hier wieder Arbeit gefunden, doch die läuft im Sommer 2025 aus. Sie möchten zurück nach Kerem Schalom ziehen. Sie haben sich seinerzeit in den Kibbuz verliebt, ohne zu berücksichtigen, wie gefährlich die Lage ist und diese Liebe ist geblieben. Im Augenblick haben sie noch keine Perspektive für die Zukunft: der Krieg dauert an, weil die israelischen Geiseln noch nicht befreit werden konnten und weil die Hamas nicht bereit ist, sich zu ergeben. Das macht alles sehr schwer.
Wir treffen sie im April 2025 in Jerusalem und sind ihnen sehr dankbar, dass sie den weiten Weg auf sich genommen haben.
Wir sitzen bei einem einfachen Abendessen bei uns im Hotel zusammen. Und es ist erstaunlich: obwohl wir sie erst seit einem Jahr kennen und die meiste Zeit nur online verbunden sind, ist es, als würde man sehr gute alte Freunde treffen.
Da ist Verbundenheit, Herzlichkeit und eine große Freude über das Wiedersehen. Wir erzählen viel über alles mögliche – es ist wunderbar, sich so offen auszutauschen.
Rony erklärt uns, nach was für Kriterien in Israel jemand als Freund gilt. Sie meint: nach einem Verlust, während der Shiva (Trauer) kommen alle möglichen Menschen und bekunden ihr Beileid. 30 Tage später, ein Meilenstein in der Trauerzeit, sind es meistens schon weniger. Wenn das Jahr voll wird, gibt es einen weiteren Meilenstein – und wer dann immer noch an der Seite der betroffenen Familie steht, der ist ein wahrer Freund. Sie schaut uns an, lächelt und meint: ihr seid auch nach einem Jahr wieder gekommen.
Als wir fragen, wie es ihnen geht, meint Rony aufrichtig, dass sie müde ist. Müde dieses Lebens in einem undefinierten Zwischenstadium, ohne die Möglichkeit wieder neu durchstarten zu können, müde vom Warten auf ein Ende des Krieges, müde der Improvisationen. Und der Wüstenstaub macht ihr zu schaffen. Ihre Sätze werden immer und immer wieder durch Husten unterbrochen. Sie sehnt sich nach frischer, klarer Luft. Aktuell führen sie ein Leben in einem Niemandsland ohne Zeithorizont. Müssen sie sich darauf einstellen noch lange in einem Übergangsheim zu leben? Macht es Sinn, da, wo sie sind, zu versuchen Fuß zu fassen? Und würde heimisch werden, wenn es stattfinden würde, einer Resignation gleichkommen? Würden sie damit ihren Traum, zurückzukehren, aufgeben?
Und dann erfahren wir, dass die Übereinkunft der Regierung mit den Vermietern in deren Immobilie sie zurzeit eine kleine 50 qm Wohnung haben, im Juni 2025 ausläuft. Es ist ein Schock, das zu hören, denn der Krieg dauert an und ihr Kibbuz Kerem Schalom ist nicht wieder hergestellt. Wie sie sagen, gilt diese Frist für alle Evakuierten innerhalb Israels und bedeutet, dass mehr als 100.000 Menschen nicht wissen, wo und wie sie ab Juni weiterleben sollen. Als vor 18 Monaten die Abkommen geschlossen wurden, hat wohl niemand damit gerechnet, dass sie so lange eine Ersatzbleibe brauchen würden. Noch nie seit der Gründung des jüdischen Staates, hat Israel solange Krieg führen müssen.
Vermutlich werden sie in eine andere provisorische Unterkunft umziehen müssen und es gibt aktuell wenig, was sie dafür oder dagegen tun könnten. Unter Umständen wird es wieder ein anderer Ort, wieder eine andere Gemeinschaft. Sie sind zu Heimatlosen geworden und sehnen sich nach nichts mehr, als endlich wieder einen Ort zu haben, der ihr Zuhause ist. Den sie aufbauen und herrichten können. Wo sie ein Bleiberecht haben. Es ist für uns, die wir nie Vergleichbares erlebt haben, kaum vorstellbar, wieviel Geduld und Durchhaltevermögen den evakuierten Familien in Israel abverlangt wird.
Und trotzdem sagen sie: am Ende wird alles gut werden und wir werden durch diese Erfahrung stärker werden. Nur wissen sie nicht, wie lange es noch dauern wird…
Unbeirrter Einsatz
Es ist erstaunlich, was Rony und Ofer geleistet haben und leisten. Wie sie immer und immer wieder selbstlos bereit waren, für andere da zu sein und sie zu schützen. Wie sie ihre Erfahrung und ihre Begabung eingesetzt haben – zum Besten der Menschen um sie herum. Ihre Weitsicht und die Maßnahmen, die sie auf den Weg brachten, haben viel bewirkt. Wir sind voller Hochachtung für das, was sie tun.
Zwischen 2011 und 2015 war Ofer der Sicherheitschef des extrem exponierten Kibbuz Kerem Schalom. Die große Verantwortung, die ständige Anspannung, die traumatischen Erlebnisse haben ihm viel abverlangt. Raketen, Mörserangriffe, brennende Autoreifen, Branddrachen die über die Grenze kamen; Terrortunnel, durch die Menschen aus Kerem Schalom entführt wurden, wie seinerzeit Gilad Shalit, prägten seinen Alltag. 2014 zerfetzte eine Granate seinen Freund. Ein Jahr danach gab er die Verantwortung ab.

Rony & Ofer initieren einen Sanitäterkurs für die gesamte Region Eschkol. Foto privat
Auf Wiedersehen im nächsten Jahr, liebe Rony, lieber Ofer. Danke, dass ihr weiter durchhaltet.
Die Geschichte von Rony und Ofer ist Teil des Zyklus: Facetten der Wiederherstellung.
Brigitte Nussbächer und ihr Mann Harald Bottesch sind regelmäßig in Israel. Aktuell ist ihr Schwerpunkt Familien zu unterstützen, die von dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 direkt betroffen waren: Witwen und Waisen, Traumatisierte und Evakuierte. Bei ihrem letzten Israel-Einsatz im April 2025 haben sie erneut Betroffene besucht und Verbindungen mit spezialisierten Organisationen vor Ort geknüpft um spezifisch, langfristig und nachhaltig zu helfen.
Wenn Sie über neue Artikel oder Veranstaltungen von ARC to Israel informiert werden möchten, geben Sie uns bitte eine kurze Rückmeldung via Kontaktformular. Wir würden uns freuen mit Ihnen verbunden zu bleiben.
Erstveröffentlichung: 29. Mai 2025
Copyright © Brigitte B. Nussbächer; Abdruck nur nach vorheriger Genehmigung
Hier finden Sie andere Artikel von Brigitte B. Nussbächer

Ofer (li) & Rony (re). Foto privat


Die Mauer wurde von Terroristen durchbrochen: die drei dunkler rosa Platten und die weiße wurden nach dem 7.10.23 ersetzt. Foto privat

Von Terroristen beschädigte Häuser in Kerem Schalom. Foto privat.
Ihre Botschaft an die Welt ist: macht eure Augen auf und begreift das Gedankengut, dass hinter diesen Taten steht. Es kann und wird sich an anderer Stelle erneut zutragen, wenn es nicht bekämpft wird. Ihre dringende Bitte an uns ist, dass, was wir gesehen und erkannt haben, weiter zu geben. Wir versprechen ihre Geschichte auf unserer Website ARC to Israel zu publizieren.
Sie haben so unaufgeregt und selbstverständlich erzählt, dass es dauert, bis wir verstehen, wie überaus mutig und unerschrocken sie tatsächlich gehandelt haben. Und was für ein Wunder es ist, dass in Kerem Shalom nur zwei Menschen von den Terroristen getötet wurden. Dass kein einziger entführt wurde! Auch die Zerstörung hier im Ort ist im Vergleich zu den Kibuzzim Nir Oz oder Kfar Azza, die wir noch zu sehen bekommen, deutlich geringer. Das Ergebnis von Wundern, aber auch von klugen Entscheidungen, Einsatzbereitschaft, Mut und Kühnheit.
Seinerzeit haben er und Rony auch einen Sanitäter Kurs für Mitglieder der Kibbuzim in der Grenzregion neben Gaza initiiert. Durch diese ausgebildeten Fachkräfte, konnte seither und auch am 7. Oktober vielen direkt vor Ort geholfen werden, Leben wurden gerettet. Auch hier haben die beiden eine langfristige Segensspur hinterlassen.
Auch jetzt dienen sie ihrem Land. Still und ohne Aufheben davon zu machen, aber mit unglaublicher Loyalität. Die Überzeugung, dass sie selbst Verantwortung übernehmen müssen und einen Beitrag zu leisten haben, treibt die beiden an. Solange Israel über Menschen mit so einer großartigen Einstellung verfügt, wird es immer Hoffnung und eine Zukunft geben.

Auf Wiedersehen im nächsten Jahr. Foto privat

Wiedersehen im April 2025. Foto privat
Wie wir das Wunder Israel erlebt haben
von Brigitte B. Nussbächer
Wir haben in Israel mit eigenen Augen wahrgenommen, wie Gott zu seinem Volk steht. Wir haben anhand von Fakten und Tatsachen gesehen, wie die Aussagen der Bibel Realität werden und wir haben überall im heutigen Israel Gottes in Erfüllung gehende Verheißungen erlebt.
Vorausgegangen war eine eher mühsame Entscheidungsfindung. Israel einmal zu besuchen gehörte zur „Allgemeinbildung“ von Christen. Trotzdem hatte es mich nicht hingezogen und die Berichte derer, die von Reisen aus Israel zurück kehrten, hatten wenig dazu beigetragen, es zu ändern. Wenn sie von den sogenannten „Heiligen“ Stätten berichteten, fragte ich mich immer, was es mir denn bringen würde, diese Ruinen oder Gedenkkirchen anzusehen. Viel mehr interessierte mich, was Gott heute in der Gegenwart erlebbar machte.
Letztlich war es dann tatsächlich auch ein anderer Gedanke, der den Anstoß zu dem Besuch gab. 2018 feierten mehrere nach dem 2. Weltkrieg gegründete Staaten ihr 70. Jubiläum – darunter auch Israel. Nachdem wir Dokumentarfilme über Indien und Pakistan zu dem Thema gesehen hatten, fragte ich mich, wie wohl Israel diese 70 Jahre genutzt hatte. Im Vergleich zu den anderen Staaten musste es ungleich schwerer gewesen sein, aus dem Nichts etwas aufzubauen. Noch 1867 hatte Marc Twain das Land als desolat, eine stille, traurige Weite ohne Mensch, Baum und Strauch bezeichnet. Was war daraus geworden?
Und so begaben wir uns auf eine geschichtliche Studienreise, was sich im Nachhinein als Volltreffer erwies. Nie hätten wir in einem Individualurlaub so viel erfahren und kennen gelernt.
Noch während wir vom Flughafen Ben Gurion nach Tel Aviv fahren, hören wir die Entstehungsgechichte dieser Stadt, von der Parzellverlosung an ein paar Dutzend Familien nördlich der jahrtausende alten Hafenstadt Jaffa im April 1909. Diese wollten auf den Sanddünen, die der niederländische Bankier Jacobus Kann gekauft hatte, die erste jüdische Stadt der Moderne bauen. Und dann fahren wir auch schon an den ersten Hochhäusern vorbei und nach Tel Aviv hinein, welches heute (rund 100 Jahre später) die modernste und weltoffenste Metropole des gesamten Nahen Ostens ist.
Im sehr originell und lebendig gestalteten Palmach Museum in Tel Aviv erfahren wir von dem beeindruckenden Kampf des jüdischen Volkes für seine Unabhängigkeit. Und von der Vorgeschichte: als die UN 1947 beschloss, das ehemalige britische Mandat in 2 Länder aufzuteilen: ein jüdisches und einen arabisches. Von dem Protest der Araber und von dem Druck, der auf die Juden ausgeübt wurde, diese Chance nicht zu nutzen. Von der Proklamation des jüdischen Staates durch David Ben Gurion am 14. Mai 1948 und von dem Angriff der 5 arabischen Länder Ägypten, Syrien, Jordanien, Irak & Libanon um Mitternacht am gleichen Tag.
Man muss sich die damalige Situation vergegenwärtigen. Ca. 650.000 Juden, viele von ihnen Holocaustüberlebende, die gerade erst das Grauen hinter sich gelassen hatten, versuchten Israel, welches als neugegründeter Staat keine Armee besaß, mit Gewehren, Maschinenpistolen und Granatwerfern gegen eine Mehrheit von 160 Millionen Arabern (ausgerüstet mit Panzern, Artillerie, Schützenpanzerwagen, Flugzeugen und Kriegsschiffen) zu verteidigen. Ein Verhältnis von 1 : 246! Dabei wird einem die menschliche Ausweglosigkeit bewusst und dass das Überleben Israels ein Wunder ist. Mit Tränen in den Augen verlasse ich das Museum. Jetzt verstehen wir, welch hohen Preis das jüdische Volk (nach der Auslöschung der 6 Millionen durch den Holocaust) im Unabhängigkeitskrieg für seine Existenz bezahlt hat.
Umso mehr staunen wir über die Lebensfreude und Energie, die heute auf den Strassen Tel Avivs spürbar ist und die wir bei den Menschen, denen wir begegnen, erleben. Wir sehen die Fähigkeit dieses Volkes schnell aus dem Nichts etwas aufzubauen (sie haben weltweit die 2 höchste Anzahl von Start Ups), ihre Genialität Lösungen für scheinbar Unlösbares zu finden, wie zum Beispiel mit Wasserentsalzungsanlagen am Mittelmeer den Wassermangel zu beheben und durch computergesteuerte Tröpfchenbewässerung Plantagen in der Wüste anzubauen. Wir sind überrascht, dass Israel die zweithöchste Akademikerquote und die dritthöchste Patentquote der Welt hat und bewundern, dass 23% aller Nobelpreisträger aus diesem kleinen Volk, dass nur 0,2 % der Weltbevölkerung ausmacht, stammen.
Wir erleben ihre Kreativität sowie ihren Sinn für Kunst und Schönheit. Israel hat gemessen an der Anzahl der Einwohner die meisten Museen und Orchester per capita und liegt auf Platz 2, was die Anzahl der verlegten Bücher anbelangt. Wer hier ein Konzert besucht, wird einem sehr hohen künstlerischen Niveau und großer Begeisterung des Publikums begegnen.
Wir streifen durch Städte, Orte, Landschaften und sind beeindruckt: unglaublich was hier in nur 70 Jahren geschaffen wurde. Dort wo sich früher Sümpfe, Sanddünen und wüstes Land befanden, haben Pioniergeist, Innovation und Durchhaltevermögen überall blühendes Leben entstehen lassen. Israel ist das einzige Land, in dem die Wüste rückläufig ist, Millionen Bäume wurden gepflanzt und entlang der Autobahn blüht tropfenbewässerter Oleander. Aus dem armen Agrarstaat ist ein Land mit führender Technologie und einer starken Währung entstanden. Israel gehört heute zu den 10 einflussreichsten Ländern der Welt und liegt auch im Happiness Ranking vorne. (Siehe Grafik unten)
Je mehr Israelis wir persönlich kennen lernen, desto mehr schätzen wir ihre konstruktive Einstellung, ihre Dynamik und ihren Mut – trotz ihres bis heute andauernden Ringens um ihr Recht auf Existenz.
Wir hören von den Kämpfen im 6 Tage Krieg 1967, von der Befreiung der Altstadt Jerusalems und wie die Juden wieder Zugang zu ihrer heute heiligsten Stätte, der Westmauer, erlangten.
Und von dem „Tal der Tränen“, so benannt nach der anfänglich auswegslosen Situation im Jom Kippur Krieg 1973, als die syrische Armee mit über 1.000 Panzern im Norden Israels einbrach und von weniger als 200 Panzern auf israelischer Seite aufgehalten wurde.
Wir sehen den Wiederaufbau nach wiederholter Zerstörung, sei es nun die Hurva Synagoge in Jerusalem oder die Siedlungen in Gush Etzion.
Und wir nehmen wahr, dass selbst die häufigen Terroranschläge in dieser Gegend den Menschen weder die Lebensfreude noch den Lebensmut rauben können, auch wenn sie schmerzliche Verluste zu beklagen haben.
Wir erleben die „Wächter Israels“, die jungen Soldaten und Soldatinnen auf den Straßen, die für Sicherheit sorgen und lauschen den Zeugnissen von sogenannten „einsamen“ Soldaten, die freiwillig ihr Heimatland, Verwandte, Freunde und ein angenehmes Leben verlassen, um in der IDF (Israels Defence Forces) zu dienen. Tatsächlich spielt die IDF auch eine wichtige Rolle bei der Integration und der Schaffung eines gemeinsamen Nenners in der israelischen Gesellschaft.
Denn die Bevölkerungsvielfalt ist erstaunlich. Die Holocaust Überlebenden von überall aus Europa, die ca. 700.000 Juden, die nach Israels Gründung aus den umliegenden arabischen Ländern vertrieben wurden, die Einwanderung aus Afrika und die großen Aliyah-Wellen aus der ehemaligen Sowjetunion haben alle dazu beigetragen. Die Bevölkerungszahl Israels hat sich in den letzten 75 Jahren ver-14-facht (im Vergleich dazu hat sich die Weltbevölkerung in den letzten 50 Jahren „nur“verdoppelt).
Am liebsten hören wir jedoch die Geschichten von jenen, die freiwillig nach Israel kamen, weil sie es als ihre Aufgaben betrachten, dieses Land aufzubauen und sich mit großer Energie dafür einsetzen.
Was uns aber am allermeisten beeindruckt – und tatsächlich auch überrascht hat - ist die intensive, innige und lebendige Beziehung, die viele Juden zu Gott haben. Da uns in den säkularen, kirchlichen und freikirchlichen Kreisen, aus denen wir stammen, die Rolle und Bedeutung von Israel und dem Judentum nicht vermittelt worden war, weder als geistliche Wurzel noch für die Zukunft, waren wir implizit davon ausgegangen, dass so eine Beziehung zu Gott nur bei Christen möglich sei. Jetzt sahen wir mit eigenen Augen wie falsch diese Annahme war.
Heute weiss ich, dank dem erschütterndem Buch „Holocaust“ von Susanna Kokkonen, dass der christliche Glaube bewusst vom Judentum differenziert wurde, seit Kaiser Konstantin der Große die Anerkennung des Christentums als rechtmässige Religion einführte, sich aus politischen Gründen zum Oberhaupt der Kirche ernannte und das erste Konzil im Jahre 325 einberief. Er erklärte, dass die Juden für den Tod Jesu verantwortlich wären, also betrachtete man sie als „Gottesmöder“; verdammt und der Gnade Gottes und der Menschen unwürdig. Eine weitere Lehre dieser Zeit, die „Ersatztheologie“ besagt, dass Israel seine Rolle in Gottes Plänen verspielt hätte und die Christen nun das neue Israel seien. Die Kirchenväter vor und nach diesem ersten Konzil verleugneten den ewigen Bund zwischen Gott und den Juden systematisch, beziehungsweise glaubten, dass Gott diesen Bund aufgehoben hätte.
Der Einfluss dieser Lehren die seit über 1700 Jahren im Umlauf sind, ist erschreckend tiefgreifend. Im Grunde wurde hier schon die Legitimation für Judenhass und Judenverfolgung geschaffen, für Verleugnung und Ignoranz. Hier liegt der idelogische Ursprung von Inquisition, Progromen, Kreuzzügen und Holocaust.
Eine Konsequenz daraus war, das einerseits bei Übersetzungen versucht wurde, die Hinweise auf das Judentum auszulassen und andererseits bei vielen christlichen Themen der jüdische Ursprung nicht erwähnt wurde. Beispiele dafür sind christliche Feste, die alle ihr Äquivalent in den jüdischen biblischen Festen haben (z.B. Passah-Ostern, Schavuot-Pfingsten, Weihnachten-Chanukka) oder auch andere Bräuche: so zum Beispiel ist die jüdische Bar Mitzwa, bei der junge Erwachsene in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen werden, das Vorbild für Kommunion/Konfirmation/Jugendweihe - um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Das gleiche spiegelt sich auch in der Kunst. Wer z. B. durch die Uffizien von Florenz streift, (eines der berühmtesten Kunstmuseen der Welt mit Werken der Malerie und Bildhauerei von der Antike bis zum Spätbarock), stellt fest, dass es aus dem Alten Testament Bilder von Adam und Eva gibt. Das nächste große Thema ist die Ankündigung von Jesu Geburt. Alles was dazwischen liegt, ist ausgeblendet.
So sind sich viele bis heute des jüdischen Erbes nicht bewusst. Derek Prince, ein Bibellehrer unserer Zeit (und die, die mich schon lange kennen, wissen, dass ich jahrelang für Derek Prince Ministries gearbeitet habe), fasste es einmal so zusammen: Wir stehen tief in der Schuld des jüdischen Volkes.
Ohne dieses hätte die Gemeinde keine Patriarchen, keine Propheten, keine Apostel , keine Bibel und keinen Erlöser. Wenn uns all das fehlen würde, was gäbe es dann noch, was uns das Heil bringen könnte? Alle Nationen der Erde verdanken das Wertvollste an ihrem geistlichen Erbe den Juden.
Aber obwohl wir Derek Prince persönlich begegnet waren und viel von unserem Israel-Bild von seinen Worten geprägt war, mussten wir feststellen, dass auch wir Gefangene des Denkens der Kirchenväter waren. Auch wir hatten gedacht, dass die Juden verloren sein mussten, da man ja nur durch Jesus zum Vater kommen könne und übersahen dabei geflissentlich, dass Paulus in Römer 11 eindeutig sagt, dass Gott sein Volk nicht verstossen hat (Vers 1), dass er seine Gaben nicht zurück fordert und die Zusage seiner Erwählung nicht widerruft (Vers 29).
Und jetzt waren wir in Jerusalem und begegneten dem jüdischen Volk Israel erstmalig in seinem eigenen Land.
Was für uns ganz eindeutig wurde, war, dass die Gründung und das Überleben dieses Staates, seine schnellen Fortschritte und Errungenschaften, der Lebensmut und die Kraft, die man in so vielen Menschen in Israel beobachten kann, rational und menschlich nicht zu erklären sind, sondern auf eine besondere Energiequelle und Kraft zurück führen. Hier in Israel war Gott überall im Alltag erlebbar.
Seit über 2000 Jahren spricht die Bibel von einem lebendigen Gott, der Israel als sein Volk auserwählte und der verhieß, dies Volk nach seiner Zerstreuung wieder in das Land seiner Vorfahren zurück zu bringen und es besonders auszustatten. Dies jedoch auf einmal mit unseren eigenen Sinnen zu sehen, zu beobachten, veränderte uns.
Als wir am Ufer vom See Genezareth sassen, kam mir der Gedanke, dass Juden vorgeworfen wurde, Jesus nicht erkannt zu haben – obwohl doch das, was um ihn herum geschah, offensichtlich und eindeutig war … Und dass heute viele Christen das, was Gott in und mit Israel tut, nicht erkennen – obwohl es ebenso offensichtlich und eindeutig ist.
Wir begannen die Bibel mit anderen Augen zu lesen. Was wir bis dahin überlesen hatten, stach jetzt deutlich hervor.
Wenn man sich vergegenwärtig, dass Jesus in Matthäus 5,17 selber gesagt hat „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen“, dann kann man die Bedeutung von Israel und Jerusalem schwer überlesen.
Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird Errettung sein – steht in Joel 3,5
Und Sacharjia weissagt in Kapitel 8, 22: Menschen aus großen und mächtigen Völkern werden nach Jerusalem kommen, um den HERRN, den Allmächtigen, zu suchen und den HERRN gnädig zu stimmen.
Jesaja prophezeit in Kapitel 60, 2-3: Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir (Zion) geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Völker werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.
Wir haben in Israel mit eigenen Augen wahrgenommen, wie Gott zu seinem Volk steht. Wir haben anhand von Fakten und Tatsachen gesehen, wie die Aussagen der Bibel Realität werden und wir haben überall im heutigen Israel Gottes in Erfüllung gehende Verheißungen erlebt.
Die Bibel spricht in Sacharja 8,23 davon, dass „in jenen Tagen zehn Menschen aus Völkern mit lauter verschiedenen Sprachen einen Mann aus Juda am Rockzipfel festhalten werden und bitten: Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott bei euch ist“ - für uns sind diese Tage bereits angebrochen…die Beziehungen zu unseren jüdischen Freunden und die Verbindung zu Israel sind zu einer der wertvollsten Konstanten, einer Bereicherung und einer Quelle des Lernens in unserem Leben geworden.


„Bruchim haba'im le’Israel - Willkommen in Israel” klang die Stimme des Piloten aus den Lautsprechern und das Flugzeug rollte langsam zur finalen Position. Wir sahen neugierig aus dem Fenster. Was würden wir in diesem Land, über das so viel Widersprüchliches berichtet wird und dass es vor 100 Jahren noch nicht gab, vorfinden? Ich wusste damals nicht, vor welcher lebensverändernden Erfahrung ich stand!